Die Qualifikation als zertifizierter Sachverständiger beruht auf der Euronorm 45013 bzw. der internationalen Norm DIN EN ISO/IEC 17024 und ist somit europaweit bzw. weltweit anerkannt.
Allerdings hatte die Zertifizierung im deutschen Recht bis vor kurzer Zeit noch keine Berücksichtigung gefunden. Lediglich die öffentliche Bestellung und Vereidigung besaß in Deutschland eine gesetzliche Grundlage (§§ 36, 36 a GewO). Vor Gericht sollten nach den verschiedenen Prozessordnungen (insb. § 404 Abs. 2 ZPO) andere als öffentlich bestellte Sachverständige nur dann zugezogen werden, wenn besondere Umstände dieses erfordern. Da es sich bei dieser Vorschrift lediglich um eine Soll-Vorschrift handelte, die keine automatische Befolgung verlangte, wurden nach meiner Berufserfahrung in der Praxis etwa die Hälfte aller Aufträge von Gerichten an zertifizierte Sachverständige vergeben.
Ob die Zertifizierung von Sachverständigen die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen in Deutschland aus Gründen des EU-Rechts (nicht zulässige Einschränkung der Berufsausübung für EU-tätige und EU-zugelassene Sachverständige) ersetzen sollte, wurde in deutschen Fachkreisen intensiv diskutiert.
Weitere Gründe in dieser Diskussion für die Abschaffung der öffentlichen Bestellung, die insbesondere von privaten Auftraggebern angeführt wurden, waren auch
- die unnomierte, d.h. für Dritte nicht nachvollziehbare und von IHK zu IHK verschiedene Verfahren bei der Bestellung von Sachverständigen
- sowie aus der Gutachtenpraxis vielfach bekannte erhebliche Qualitätsunterschiede bei Gutachten öffentlich bestellter Sachverständiger.
Die durch diese fehlende Normierung der fachlichen Ausbildung und Qualitätskontrolle im Laufe der Jahre entstandene Kritik führte im Markt zu einer kontinulierlichen weiteren Zunahme der Beauftragung von zertifizierten Sachverständigen zu Lasten der öffentlich bestellten Sachverständigen, sowohl seitens privater wie auch gerichtlicher Auftraggeber.
Doch mit der Novellierung des § 36 GewO und der Einführung des § 36 a GewO Ende 2009 hat sich der deutsche Gesetzgeber für die Beibehaltung der öffentlichen Bestellung ausgesprochen und die Regelungen zur öffentlichen Bestellung an die europarechtlichen Anforderungen der Dienstleistungsrichtlinie (2006/123/EG) und der Berufsanerkennungsrichtlinie (2005/36/EG) angepasst.
Allerdings wird durch diese Anpassung allein die Fachkunde öffentlich bestellter Sachverständiger nicht an ein den zertifizierten Sachverständigen vergleichbar hohes Qualitätsniveau gehoben. In der Regel gilt daher, dass ein auf der Basis der EU-Norm zertifizierter Sachverständiger, gegenüber Sachverständigen, die nicht zertifiziert sind,
- sowohl über eine bessere Fachkunde verfügt,
- als auch qualitativ höherwertige Gutachten erstellt.